Waum haben wir eine "Wildschweinschwemme"?

1. These "Abschuss der Leitbache"
Leitbachen synchronisieren die Paarungsbereitschaft der Rotte und halten bei einer Zweitrausche die Keiler ab. An der Reproduktion beteiligen sich jedoch neben der Leitbache alle Alt- und Jungbachen sowie ca. die Hälfte der Frischlingsbachen einer Rotte (MEYNHARD, Schwarzwildreport, 2. Auflage 1980, S. 196) und nicht, wie oft von jagdkritischen Organisationen erwähnt, nur die Leitbache.

Obwohl eine intakte Rottenstruktur sehr wohl die Reproduktionsrate bremst, fällt das Fehlen der Leitbache nicht so gravierend ins Gewicht. Das soll jetzt aber kein Aufruf zum Abschuss der Leitbachen bedeuten!

2. These "Wildschweine werden vom Jäger gefüttert"
Durch den Pachtvertrag wird die Regulierung des Wildschadens, somit auch der Schadensersatz, gegenüber der Jagdgenossenschaft meist auf den Jäger übertragen. Es liegt nahe, dass eine hohe Wildschweinpopulation eher nicht erwünscht ist. Die Folge zu hoher Schwarzwildbestände wären, dass große Rotten Nacht für Nacht die Felder heimsuchen würden. Mais und Weizen sind besonders beliebt und auf Wiesen wird nach Insekten gewühlt. Hier können Schäden von mehreren hundert bis tausende Euro anfallen, für die der Jäger gerade stehen muss.

Um gezielt Sauen erlegen zu können, legt der Jäger Kirrungen für Wildschweine an. Solche Kirrungen werden über die jeweiligen Jagdverordnungen der Länder geregelt, gerade was Anzahl, Kirrmaterial und -menge angeht. Kirrungen sollten daher nicht mit Wildfütterungen verwechselt werden.
Während Wildfütterungen dem Wild als Nahrungsquelle dienen, nur in Notzeiten - bei strengen und langen Wintern - eingerichtet und von der Unteren Jagdbehörde genehmigt werden müssen und an solchen Fütterungsstellen die Jagd auch nicht ausgeübt werden darf, haben die Kirrungen mit ihrem sehr geringen Materialangebot lediglich die Aufgabe das Wild für einen kurzen Moment an den Platz zu bannen. So erhält der Jäger die Chance sauber selektieren und schießen zu können.

Aber warum erhöhen sich dann die Schwarzwildbestände so enorm?
Durch das wärmer Klima hat sich einerseits in den Laubwäldern die Mast von Eichen und Buchen erhöht, andererseits sind die Winter deutlich weniger streng als früher. Dadurch geht das Schwarzwild gestärkter in einen milderen Winter, was zu einer geringeren Mortalität bei den Frischlingsbachen führt, die sich an der Reproduktion aktiv beteiligen.

 

Auch hat die Landwirtschaft sich signifikant verändert. Der Maisanbau hat sich nicht nur wegen erhöhtem Viehfutterbedarf drastisch erhöht, sondern auch zur Gewinnung von Energie in Biogasanlagen. So stieg die Maisanbaufläche aus dem Jahr 1960 von 56.000ha auf 2.515.000ha im Jahr 2011 um ein Vielfaches an (Quelle: Maisanbau in Deutschland). In dem Maisschlägen finden Wildschweine neben reichlich Nahrung auch ausreichende Deckung, um einer Bejagung zu entgehen.

Pauschal also den Jägern Schuld an der "Schwarzwildschwemme" zu geben ist schlicht nicht richtig.